- eine sehr subjektive Liste
Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Wahrhaft schöne Gebäude hat es in Remseck zwar durchaus. Ein paar davon finden sich auch in dieser Liste wieder, jedoch ist Schönheit kein Kriterium, das hier zur Aufnahme gereicht. Erzählenswerte Geschichten, einzigartige Architektur oder ein faszinierender Nutzen. Das sind die Gründe, die hier zur Erwähnung geführt haben. Dennoch bleibt die Liste subjektiv und sicher würden andere Remsecker sie anders zusammenstellen. Trotzdem denke ich, mit dieser Liste einen schönen Rundumblick über Remseck zu ermöglichen. Hier also meine Liste:
1) Staustufe Aldingen
Oha, eine Schleuse wie viele andere auf dem ersten Platz dieser Liste? Das muss erklärt werden. Vorneweg: Die meisten nennen die Anlage ja Schleuse, aber die Schleuse ist natürlich nur ein Teil der Gesamtanlage. Die Staustufe besteht aus der eigentlichen Schleuse, dem Stauwehr, dem Wasserkraftwerk und natürlich der bei vielen so beliebten Wehrbrücke. Leider ist die Brücke vor allem bei denen beliebt, die eine Alternative zu den Staus auf der Neckartalstraße und der Neckarremser Brücke suchen. Aber das ist es nicht, warum die Staustufe für mich hier auf Platz 1 gelandet ist. Es gibt so viele faszinierenden Facetten an dieser Anlage. Sie entstand im Rahmen der von Otto Konz geleiteten Arbeiten, die den Neckar vom wilden Fluss (was der Name Neckar bedeutet) zur industriellen Wasserstraße umformte. Insgesamt wurden dabei zwischen Mannheim und Plochingen 27 solcher Staustufen errichtet - und jede davon ist ein Unikat. Nicht zuletzt deshalb, ist die Hinterlassenschaft von Otto Konz unter dem Namen Neckarkanal als Baden-Württembergs längstes Kulturdenkmal geschützt. Aber Konz alleine hätte das nie erreicht. Spätestens im Rahmen von Stuttgart 21 wurde der Name des Architekten Paul Bonatz einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Doch außer dem alten Stuttgarter Bahnhof ist sein Name auch mit den Neckar-Staustufen verbunden, die mehrheitlich auf seine Pläne zurückgehen. Zwar hatte Bonatz das Projekt bereits vor dem Bau der Aldinger Schleuse verlassen, doch sein Einfluss ist hier unverkennbar, so tragen die Natursteinwände des Kraftwerks und der Pfeilerbauwerke ganz deutlich seine Handschrift. Gleichzeitig stellte die Aldinger Wehrbrücke, die sich über der Unterwasserseite befindet, eine Abkehr der Bonatz'schen Empfehlungen dar, die besagten, die Brücke solle sich besser an der Oberwasserseite befinden. Der Zweite Weltkrieg stellte dann einen großen Einschnitt für das Projekt dar. Brücke, Stauwehr und Kraftwerk waren bereits fertiggestellt, nicht jedoch die Schleuse, die erst in den 1950er Jahren eröffnet werden konnte. Die Brücke aber sollte, wie alle Neckarbrücken, in den letzten Kriegstagen durch den Volkssturm gesprengt werden, um das Vordringen der Alliierten zu bremsen. Französische Truppen konnten das verhindern und so war die kleine und ursprünglich als reiner Feldweg ausgelegte Aldinger Wehrbrücke für einige Zeit die einzige befahrbare Neckarquerung im Großraum Stuttgart. Vive la France!
Das alles in seiner Gesamtheit würde für mich dennoch noch nicht ausreichen, die Staustufe gleich auf Platz 1 zu setzen. Doch wie schon eingangs gesagt: Die Liste ist subjektiv und ich schaue einfach gerne Schiffen zu, die durch die Anlage geschleust werden und nach regenreichen Tagen faszinieren mich auch die wilden Wasserströmungen unterhalb der Schleuse, die einen Einblick darin geben, wie der Neckar, der einst wilde Fluss, in den Jugendtagen meiner Großelterngeneration tobte. Ein besonderes Highlight für mich, ist auch die nachts beleuchtete Anlage. Damit ist die Staustufe Aldingen für mich persönlich einer der faszinierendsten Orte und definitiv das faszinierendste Bauwerk in ganz Remseck.
2) Neckar- und Remsstege am Hechtkopf
Na gut, wenn wir schon bei Brücken sind, machen wir eben mit diesen hier weiter. Der Neckarsteg war mit seinen rund 80 Metern Länge zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung die längste freitragende Holzbrücke Europas. Freitragend und aus Holz... Wenn man nur genug einschränkende Adjektive findet, kann man alles zum Superlativ erklären. Dennoch ist das zu Recht beeindruckend und ebenfalls zurecht gelten die beiden überdachten Stege als Remsecker Wahrzeichen. Schließlich paddelt man lange den Neckar hoch oder runter bis man Vergleichbares findet. Nähert man sich von Hochberg kommend über den Fluss der Remsmündung, stellen die beiden Stege in jedem Fall eindrucksvolle und sehenswerte Landmarken dar. Aber die einstige Rekordlänge ist es nicht, was diese Brücken in meinen Augen zu Remsecker Wahrzeichen macht. Über ihre architektonische Bedeutung hinausgehend sind sie nämlich ein wunderbares Symbol für Remseck: Die Wege, welche die Stadtteile verbinden, die Brücken, welche die natürlichen Barrieren überwinden. Dafür sollte Remseck stehen. Jedoch überragt mittlerweile das neue Rathaus diese symbolträchtigen Brückenbauwerke. Und während die Stege ohne Zweifel zu den faszinierendsten Bauwerken Remsecks zählen, gilt das für das Rathaus nicht gerade. Zu groß, um es zu übersehen, ist dieses Symbol des Remseck-Zentralismus weder schön noch interessant und nicht einmal hässlich genug, dass man wegsehen wollte. Und so wird Remsecks Wahrzeichen heute von der reinen architektonischen Langeweile überragt. Schade eigentlich, denn damit ging viel Charme verloren und der Platz 2 in dieser Liste rechtfertigt sich für mich nach subjektiven Gesichtspunkten nur noch, wenn ich die Augen schließe und mir das Rathaus wegdenke.
3) Schloss Remseck
Oberhalb der beiden Stege befindet sich ein Bergsporn zwischen Rems und Neckar. Darauf stand im Mittelalter eine Burg namens Remseck, die den Grafen von Württemberg einst als Grenzfestung diente, um ihre damals noch sehr kleine Grafschaft nach Norden abzusichern. Die Burg beherrschte den Zugang sowohl zum württembergischen Teil des Neckartals als auch zum ebenfalls württembergischen Remstal. Wahrscheinlich wurde die Remseck im Reichskrieg von 1312 wie viele andere württembergische Festungen geschleift. Danach baute man sie zwar wieder auf, da die Grenze Württembergs jedoch immer weiter von der Remseck wegwanderte, verkam die einst wichtige Grenzfestung. Sie wurde zum bedeutungslosen, inländischen Militärposten, der schließlich immer weiter verfiel und letzten Endes als Steinbruch für Neckarrems missbraucht wurde. Im 19. Jahrhundert errichtete Major von Grimm anstelle der alten Burg ein neugotisches Schlösschen, das den Namen Remseck weitertrug. So erst wurde die (Burg) Remseck zu dem (Schloss) Remseck. Mit einer Ecke hat das aber nichts zu tun, vielmehr ist die Endsilbe -eck sehr typisch für hochmittelalterliche Burgen.
Vom Bauherrn ging das Schlösschen dann an die Grafen von Inn- und Knyphausen und von diesen schließlich an die Familie Stihl über. 1977 entschied man sich, die aus Aldingen, Hochberg, Hochdorf, Neckarrems und Neckargröningen gebildete Gemeinde "Aldingen am Neckar" nach dem Schloss in "Remseck am Neckar" umzubenennen.
Im Winter besitz das über Remsecks sogenannter Neuen Mitte thronende Gebäude zweifellsfrei das Potential ein weiteres Wahrzeichen von Remseck zu sein. Im Sommer ist es aufgrund der dichten Bewaldung auf dem Hang jedoch kaum zu erkennen.
4) Lise-Meitner-Gymnasium (Gomperle)
Das Jahr 1975 ist das Geburtsjahr der damals noch Aldingen genannten Stadt Remseck am Neckar und Zugleich das Jahr in dem das "Bildungszentrum Rems-Neckar" eröffnet wurde. Das allein ist faszinierend, denn es bedeutet, dass die Konzeption, die Planung und der Baubeginn des Bildungszentrums zu einer Zeit erfolgten als es noch keinen Entschluss gab, Remseck zu bilden. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Gebäudekomplex um eine der ersten Kooperationen der Remsecker Vorgängergemeinden - und ironischerweise auch um den Grund, warum Poppenweiler heute kein Teil von Remseck ist, denn die Poppenweilerer waren ursprünglich zwar Teil der Kooperation um eine weiterführende Schule, konnten sich aber mit dem Standort auf dem Gomperle nicht anfreunden. Dieser Standort ist im Sinne des heutigen Remsecks eine interessante Wahl, ist das Gomperle doch ein dem Schloss Remseck gegenübergelegener Bergsporn. Die Position der Schule konterkariert also die Position des Schlosses, nach dem die Stadt heute benannt ist. Da "Bildungszentrum Rems-Neckar" ohnehin kein schöner Name ist, bürgerte sich schnell ein, die Anlage nach ihrem Standort ebenfalls als "Gomperle" zu bezeichnen - ein Name der sich immerhin mehr als 20 Jahre hielt. Das Gomperle beherbergte immer wieder andere Schulen, teilweise auch gleichzeitig: Hauptschule, Realschule, Grundschule und Gymnasium, sie alle waren mal da. Erst als das Lise-Meitner-Gymnasium zum einzigen Nutzer des Bildungszentrums wurde, verdrängte der Name der Schule die althergebrachte Bezeichnung "Gomperle".
Aber auch architektonisch hat das Gomperle einiges zu bieten. Ob man es schön findet, sei dahingestellt, aber durch zahlreiche Anbauten aus unterschiedlichen Jahrzehnten und in unterschiedlichen Baustilen entstand ein architektonischer Mix, der nirgends sonst zu finden ist, nicht in Remseck und nicht sonst wo auf der Welt. Dies kombiniert mit seiner herausragenden Lage auf dem Bergsporn macht das Gomperle fast zu einem weiteren Wahrzeichen Remsecks – hätte man davon nicht schon genug. Und so muss man über diesen im Grunde einfachen Schulkomplex mehr als über jedes andere Bauwerk Remsecks eines sagen: Das Gomperle ist absolut und ohne Zweifel einzigartig!
5) Hauptklärwerk der Stadt Stuttgart
Dieser Eintrag wird sicher viele verwundern. Und das gleich aus mehreren Gründen. Also eines vorneweg: Ja, das Stuttgarter Hauptklärwerk nutzt eine Mühlhausener Adresse - dennoch liegen gut zwei Drittel der Anlage gar nicht mehr in Mühlhausen, sondern bereits auf der Gemarkung von Aldingen. Und damit erfüllt es in meinen Augen die Voraussetzungen um als "Bauwerk Remsecks" zu gelten. Aber ist das gleich ein Grund für ein Eintrag in dieser Liste? Nun, Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters. Aber nein, auch der Autor dieser Zeilen wird nicht so weit gehen, eine Kläranlage als Schön zu bezeichnen. Doch in dieser Liste geht es nicht um schöne, sondern um interessante Bauwerke. Und hier sticht das Klärwerk zweifelsfrei hervor. Mit seinen 97 Metern ist der Schornstein des Klärwerks damit nämlich schlicht und einfach das höchste Bauwerk Remsecks. Aber darüber hinaus: Weder Optik noch Geruchsentwicklung der Anlage sind ansprechend – keine Frage, aber die Technik und Technologien, die genutzt werden um unsere verdreckten Abwässer wieder zu säubern sind zweifelsfrei mindestens als interessant zu bezeichnen. Und wenngleich sicher alle froh wären, wenn die Kläranlage nicht in solcher Nähe zu Remseck wäre ... sie ist ein notwendiger Baustein, um die Natur vor dem Dreck und Müll des Menschen zu bewahren. Man sollte stolz auf so etwas sein. Man stelle sich nur einmal vor, die Abwässer Stuttgarts würden ungeklärt am Remsecks Neckarstrand vorbeifließen. Ein Dankeschön an das Klärwerk wäre hier angebracht - vielleicht auch ein Dankeschön der Remser nud Gröninger an die Aldinger, die die Kläranlage bei sich erdulden, damit an der Remsmündung alles schön ist ;-)
6) Burg Aldingen
Wie bitte? Wo um alles in der Welt soll denn in Aldingen eine Burg sein? Nun ja man muss zugeben, dass die Aldinger Burg im Allgemeinen als "abgegangen" bezeichnet wird, das heißt, dass nicht einmal mehr eine Ruine übrig ist. Aber stimmt das wirklich? Denn tatsächlich gibt es einen sehr eindrucksvollen Überrest der Burg: Die Aldinger Margaretenkirche.
Bei der Margaretenkirche trifft sich die Kirchstraße mit der Schlößlestraße. Letztere ist nach einem einstigen Adelssitz der Herren von Kaltental benannt. Das Schlössle – ein sogenanntes Festes Haus, also ein burgartig befestigtes Einzelgebäude – gruppierte sich mit seinen Wirtschaftsgebäuden um einen Herrschaftshof. Dieser Herrschaftshof und der benachbarte Kirchhof der Margaretenkirche waren durch eine gemeinsame Wehranlage zur Burg Aldingen verbunden. Ringmauer, Burggraben, Zwinger - zur Anlage gehörte alles, was eine "echte" Burg ausmachte. Und die Margaretenkirche war damit auch nicht nur eine einfache Dorfkirche. Nein, sie war die Residenzkirche und Grablege der Kaltentaler - die sie mit entsprechendem Schmuck versahen. Mit der Reformation spaltete sich die Familie in einen evangelischen und einen katholischen Zweig, und während die evangelischen Kaltentaler sich das heutige Schloss Aldingen erbauten, verblieben die Katholiken im Schlössle. Nach dem Aussterben der katholischen Kaltentaler blieb das Schlössle ohne Daseinszweck und nach einem Brand wurde es nicht wieder aufgebaut, so dass von der Aldinger Burg heute nur noch die Margaretenkirche übrig ist. Nur? Nun ja, dieses "nur" streiche ich wieder. Remseck hat viele schöne Kirchen, doch unter diesen sticht die Margaretenkirche deutlich hervor: Der Stolz der Herren von Kaltental spiegelt sich in ihrem Innenraum in vielen einzigartigen Kunstwerken wider, darunter die zahlreichen Grabdenkmäler dieser Familie. In Kombination mit modernen Ergänzungen wie den Kirchenfenstern aus den 1970er Jahren oder dem Altar aus den 2010er Jahren ergibt sich ein unvergleichlicher Stilmix, welcher der Margaretenkirche einen Charme verleiht, der ihres gleichen sucht. Nicht umsonst nannte Gerhard Raff sie im Rahmen einer Lesung einst, eine der schönsten Dorfkirchen des Landes. Bei Raff muss man sich natürlich stets ein Augenzwinkern dazu denken, dennoch ist der weithin sichtbare Turm der Margaretenkirche zweifellos Aldingens herausragendes Wahrzeichen.
7) Ehemalige Hochberger Synagoge
Fast unscheinbar an der Hochberger Hauptstraße liegt ein klassizistisches Gebäude mit einer wahrhaft faszinierenden Geschichte: Die ehemalige Synagoge, die zugleich eine ehemalige methodistische Kirche ist. Wie das kam? Im 18. Jahrhundert verhinderten die Gesetze des Herzogtums Württemberg, dass sich Juden einfach so in Württemberg niederlassen konnten. Das nutzten der Baron von Kaltental und der Baron von Gemmingen um sich etwas dazu zu verdienen. Während der erstgenannte der Herr von Aldingen war, gebot der zweite über Hochberg und Hochdorf. Beide Herren aber waren sogenannte freie Reichsritter, also nur dem Kaiser in Wien untertan. Aldingen, Hochberg und Hochdorf waren damit kein Teil Württembergs sondern davon weitestgehend unabhängige reichsritterschaftliche Herrschaften. Die beiden Barone haben es sich gut bezahlen lassen, als sie jüdischen Familien die Ansiedlung in ihren freien Herrschaften erlaubten – doch auch wenn es aus niederen Beweggründen geschah, für die jüdische Bevölkerung hatte es positive Folgen. So entstanden in Aldingen und Hochberg sowie anderen freien Herrschaften jüdische Gemeinden, da dies ja nun in Württemberg nicht möglich war. Auch nachdem Württemberg sich die reichsritterschaftlichen Güter einverleibt hatte, blieb der besondere Status und damit auch die jüdischen Gemeinden erhalten – vorerst. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Lage und auch in den benachbarten württembergischen Städten konnten sich jüdische Gemeinden bilden. Der Gemeinde in Ludwigsburg diente jene in Aldingen eine Weile als Muttergemeinde bevor sie ihren Ursprungsort überflügelte. Es kam in der Folge zu einem Wegzug der jüdischen Bevölkerung aus Hochberg und Aldingen in die größeren Städte. 1872 wurde die Aldinger Gemeinde aufgelöst, die deutlich größere Gemeinde in Hochberg bestand noch bis 1911. In Hochberg hatte man sich zuvor eine recht eindrucksvolle Synagoge gebaut, die nun aber eben nicht mehr benötigt wurde. Die methodistische Kirche nutzte die Gunst der Stunde, kaufte das Gotteshaus und widmete es ihrer Religion entsprechend um. Während der Reichsprogromnacht versuchten SS-Angehörige die ehemalige Synagoge trotz ihrer kirchlichen Nutzung in Brand zu setzen, scheiterten jedoch am Widerstand der Hochberger Bürger. Anfang des 20. Jahrhunderts gaben die Methodisten die kirchliche Nutzung des Gebäudes wieder auf. Später kaufte der jüdische Kulturverein "Beth Shalom" das Gebäude und nutz es seither als Gedenk- und Begegnungsstätte.
8) Pattonville
Okay, Pattonville in seiner Gesamtheit als "ein" Bauwerk zu betrachten mag etwas seltsam sein. Ich wüsste jedoch tatsächlich kein einzelnes Gebäude der einstigen Amerikaner-Siedlung das hervorheben wäre, die Siedlung in ihrer Gesamtheit hat hingegen ganz ohne Zweifel einen Eintrag hier verdient. Warum? In den 1950er Jahren als Wohnsiedlung für amerikanische Soldaten entstanden, wurde sie in den 1990er Jahren erst verlassen und dann zu einer "normalen" Wohnsiedlung umgemünzt. Normal? Nein, normal ist nichts an Pattonville. Da die US Armee sich nur in äußerst geringem Maße für die Gemarkungsgrenzen der kleinen Käffer nördlich von Stuttgart interessiert hatte, erstreckte sich schon das amerikanische Pattonville quer über Aldingen und Kornwestheim. Das allerdings so schräg, dass die Grenze quer durch die Bebauung verlief. So hätte man das nicht in eine Wohnsiedlung umwandeln können. Doch dann geschah etwas fast Einzigartiges: Initiiert durch den damaligen Remsecker Bürgermeister Peter Kuhn handelten Remseck, Kornwestheim und Ludwigsburg gemeinsam Hand in Hand. Ludwigsburg erhielt von Kornwestheim deren Anteil an der Sonnenbergsiedlung, Remseck dafür von Ludwigsburg Fläche beim Schießtal und Kornwestheim von Remseck alles, was in Pattonville westlich der John-F.-Kennedy-Allee liegt. Danach war Ludwigsburg in Pattonville außen vor, doch Remseck und Kornwestheim arbeiten im Zweckverband Pattonville noch heute zusammen. Damit bleibt die Siedlung verwaltungstechnisch bis heute ein seltsames Konstrukt, jedoch zugleich ohne Zweifel auch ein Erfolgsmodell. Tatsächlich kommt sogar noch eine weitere Gemarkung hinzu: Der Flugplatz Pattonville liegt nämlich auf dem Gebiet des Stuttgarter Stadtteils Mühlhausen. Verwirrend? Vielleicht, doch ebenso faszinierend. Bevor Pattonville entstand, war das Areal übrigens unter dem Namen "Aldinger Berg" bekannt. Wer schon einmal mit dem Fahrrad oder zu Fuß von Kornwestheim nach Aldingen unterwegs war, der weiß auch warum. Aber apropos Name: Das einzige, das ich an der Entstehung Pattonvilles hier kritisieren möchte, ist tatsächlich der Name. Es entsteht nämlich bei mir persönlich ein ungutes Gefühl, dass man in George Patton einen Namenspaten gefunden hat, der während des Zweiten Weltkrieges zwar erfolgreich gegen Nazi-Deutschland ins Feld zog, in seinen Äußerungen mit diesem Nazi-Deutschland jedoch zutiefst sympathisierte. Und das so sehr, dass Eisenhower ihn nach kurzer Zeit als Militärgouverneur von Bayern absetzte, weil Patton politisch untragbar wurde.
Aber dafür kann Pattonville ja nichts.
9) Wendelinskirche Hochdorf
Ein unscheinbarer, weißer Turm mit einem Fachwerkaufsatz, ein kleines, kompaktes Kirchenschiff. Remseck hat viele schöne Kirchen, was ist an dieser hier besonders? Tatsächlich ist es nicht nur üblich, sondern fast durchgängig bei allen Kirchenbauten so, dass die Turmwände und die Wände des Kirchenschiffs rechtwinklig aufeinandertreffen. Kennt jemand auch nur ein Beispiel, wo das anders wäre?
Oh ja! Bei der 1275 erstmals urkundlich erwähnten Hochdorfer Wendelinskirche steht der Turm nämlich um 45° gedreht. Warum? Ich weiß es nicht und auch im Internetauftritt der evangelischen Kirchengemeinde Remseck findet sich die lapidare Aussage: „Baugeschichtlich eine absolute Rarität ist der Turm, der um 45° gedreht ist.“ Und weiter heißt es: „Der Grund dafür ist nicht bekannt.“ Ja, soviel wussten wir vorher auch schon. Eine Theorie, die ich mal las, besagt, dass der Turm Teil der Burg Hochdorf war, aus der auch das heutige Schloss Hochdorf und der Meierhof hervorgingen. Und zu Verteidigungszwecken stand der Turm so eben günstiger. Das ist jedoch auch nur Spekulation. Falls mal jemand wirklich den Grund dafür kennt: Mich würde er Interessieren. Bis dahin erfreue ich mich einfach an der Rarität.
10) Aldinger Mühle
Die Aldinger Mühle wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut. Damals lag sie direkt am Neckar und nutzte einen kleinen von diesem abgezweigten Mühlkanal, um über ein klassisches Mühlrad die Mühle anzutreiben. Doch dann kam Otto Konz und kanalisierte den Neckar bei Aldingen. Seither ist die Mühle weit weg vom Neckar, mittlerweile liegen nicht nur der Neckardamm, sondern auch die Neckartalstraße die Stadtbahngleise und eine Schallschutzwand zwischen Mühle und Fluss. Trotzdem wurde sie noch mittels eines elektrischen Antriebs bis in die 1990er Jahre hinein betrieben. Ihre Wassernutzungsrechte hatten die Aldinger Müller, an die von Otto Konz geleitete Neckar AG verkauft. Seither wird an der Aldinger Schleuse mittels eines Laufwasserkraftwerks Strom erzeugt. Nun ist ein Laufwasserkraftwerk auch nichts anderes als die moderne Variante eines Mühlrads. Der Strom der Elektro-Mühle kam also irgendwie doch wieder direkt aus dem Neckar. Und damit schließt sich mit der Aldinger Mühle der Kreis den wir anfangs dieses Artikels mit der Aldinger Schleuse begonnen hatten. Allein dieser Symmetrie wegen hat die Mühle diesen Eintrag verdient.
Doch sei es wie es sei: Heute finden sich in der einstigen Wassermühle vor allem ein Gasthaus und ein Friseur. Beim Friseur kann man ja vielleicht drüber reden, doch was das Gasthaus anbelangt: Die kochen auch nur mit Wasser.
Kommentar schreiben